Interview

 

«Die Kandidatur Sion 2026 hat auf jeden Fall eine reelle Chance»

 

Interview | Nationalratspräsident und Präsident von Swiss Olympic Jürg Stahl vor seinem Abstecher ins Oberwallis.

Foto | «Neue Impulse für die Jugend». Jürg Stahl, hier in der Hall of Fame im Haus des Sports in Ittigen bei Bern: «Von den Olympischen Winterspielen würden das ganze Land, die gesamte Region und insbesondere das Oberwallis langfristig profitieren», ist der Präsident von Swiss Olympic überzeugt.

 

Interview: wek/zum

Foto: Keystone

 

Jürg Stahl, Sie sind seit Anfang dieses Jahrtausends für die SVP im Nationalrat. Seit diesem Jahr sind Sie als Nationalratspräsident der oberste Schweizer. Ist das Amt für Sie mehr Bürde als Würde?

«Nein, keinesfalls! Ich empfinde das Amt als Nationalrat auch nach bald 18 Jahren als ein Privileg, unser wunderbares Land mit zu gestalten. Dass mich meine Fraktion für das Präsidium vorgeschlagen hat, ist ein Vertrauensbeweis und Auftrag, mich kraft meines Amtes für das Wohlergehen unserer Schweiz einzusetzen. Im vergangenen November wählten mich die Mitglieder des Nationalrats für ein Jahr zu ihrem Präsidenten; eine grosse Motivation, als Nationalratspräsident meine Arbeit gut und sehr gewissenhaft zu machen. Auch wenn ich – neben der Ratsleitung während der vier ordentlichen Sessionen – wöchentlich bis zu 20 Verpflichtungen wahrnehme, so empfinde ich es als Würde und Ehre!»

 

«Das Amt als Nationalrats - präsident ist für mich Würde und Ehre zugleich» Jürg Stahl

 

Welche politischen Schwerpunkte sind die wichtigsten in diesem Jahr?

«Aus meiner Sicht widerspiegeln die aktuellen Vorlagen, dass es der Schweiz gut geht und wir deshalb nicht über spektakuläre politische Weichenstellungen diskutieren. Klar ist von der Bedeutung und den finanziellen Konsequenzen die Altersvorsorge 2020 eine grosse und bedeutende Vorlage. In Anbetracht der geopolitischen Situation erachte ich aber auch Geschäfte, die Armee und Sicherheit betreffen, als enorm wichtig. Zudem ist und bleibt das Verhältnis der Schweiz zur EU auf der Traktandenliste. Persönlich haben mich – auch wenn es im gesamten Bundesbudget verschwindend klein ist – die zusätzlichen Mittel für den Nachwuchsleistungssport sehr gefreut. Eines muss uns aber stets bewusst sein, Begehrlichkeiten und Investitionen sind nur möglich, wenn der Motor der Schweiz – die Wirtschaft mit ihrem guten Mix aus unzähligen KMUs und erfolgreichen grossen Unternehmen – weiterhin rund läuft!»

 

Im September stimmen wir über die neue Reform der Altersvorsorge ab. Was ist Ihre Haltung dazu?

«Persönlich äussere ich mich – und das ist ein ungeschriebenes Gesetz – zu politischen Geschäften und Abstimmungen während des Präsidialjahr sehr zurückhaltend. Meine Aufgabe war es, die emotional geführte Debatte mit knappen Entscheiden während dieser komplexen Altersreform korrekt, straff und kompetent zu leiten. Jetzt liegt der Entscheid bei den Bürgerinnen und Bürgern!»

 

Olympic unterstützen Sie die Olympiakandidatur Sion 2026. Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen?

«Es war eine grosse Herausforderung, neun Jahre vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2026 so detailliert in die Planung und Finanzierung der Spiele zu gehen, wie wir das im Rahmen der Machbarkeitsstudie, die wir beim Bund eingereicht haben, getan haben.»

 

Die nächste grosse Herausforderung wird sein, die Bevölkerung von den positiven Auswirkungen der Olympischen und Paralympischen Spiele im eigenen Land zu überzeugen.

«Ja, man kann das mit Zahlen versuchen, doch Olympische Spiele haben nicht nur einen monetären Wert. Der Anlass wird auch unserer Jugend neue Impulse liefern und ihnen Türen öffnen und die Schweiz positionieren als offenes, innovatives, herzliches Land, das seinen Pioniergeist neu belebt. Wir haben viele Argumente; jetzt liegt es auch an uns und mir, diese verständlich, einfach und ehrlich zu kommunizieren. Die Olympischen Winterspiele 2026 stellen aber auch eine einmalige Werbeplattform dar. Die Bilder aus dem Wallis werden um die ganze Welt gehen. Für einen Kanton, der stark vom Tourismus lebt, kann ein solcher Effekt über Jahrzehnte hinweg enorm wertvoll sein – die Austragung der Olympischen Winterspiele St. Moritz 1948 ist ein gutes Beispiel dafür. Von den Olympischen Winterspielen 2026 in Sitten würden das ganze Land, die gesamte Region und insbesondere auch das Oberwallis langfristig profitieren.»

 

Hat die Kandidatur Ihrer Meinung nach eine reelle Chance?

«Auf jeden Fall! Unser Ziel ist es, den Athleten, allen Beteiligten und Zuschauern herzliche, bodenständige, alpine und perfekt organisierte Spiele mit einer Riesenportion Schweizer Qualität zu bieten. Sion 2026 ist breit abgestützt, es sind Wettbewerbe in fünf Kantonen geplant. Dank dieser Aufteilung kann Sion 2026 auf eine Vielzahl bereits existierender Sportstätten zurückgreifen. Das senkt die Kosten erheblich und ist ganz im Sinn des IOC, das im Rahmen der ‹Olympischen Agenda 2020›mehr als jemals zuvor auf Nachhaltigkeit setzt.

 

«Ich habe damals gegen die Annahme der Zweitwohnungsinitiative gekämpft» Jürg Stahl.

 

Die betroffenen Kantonsregierungen stehen vollumfänglich hinter der Kandidatur und auch der Bund wurde früh miteinbezogen und arbeitet aktiv am Projekt mit. Unter diesen Voraussetzungen rechnen wir uns gute Chancen aus, den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2026 zu erhalten. Dass die Spiele 2018, 2020 und 2022 in Asien stattfinden und 2028 in den USA, könnte uns ebenfalls entgegenkommen.»

 

Obwohl sie bereits im Jahre 1962 vom Nationalrat beschlossen worden ist, verfügt das Oberwallis immer noch nicht über eine durchgehende Autobahn. Was sagen Sie zu dieser sehr langen Zeit des Wartens?

«Sie sind als Walliserinnen und Walliser nicht alleine, im Zürcher Oberland warten wir ähnlich lange auf einen – längst bewilligten – Autobahnabschnitt. Auch wenn eine gewisse Langsamkeit in unserer direkten Demokratie in vielen Bereichen ein Erfolgsfaktor ist, so ist es aus meiner Sicht mehr als ärgerlich. Der Entscheid von letzter Woche, am Riedbergtunnel endlich weiterzubauen, stimmt mich etwas zuversichtlich.»

 

Die Berggebiete sind in den letzten Jahren durch die Lex Weber und durch das neue Raumplanungsgesetz arg unter Druck geraten. Nun hat Bundesrätin Doris Leuthard auch die Wasserzinsen gesenkt. Eventuell folgen noch weitere Schritte in diese Richtung. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen?

«Ich habe damals gegen die Annahme der Zweitwohnungsinitiative gekämpft – übrigens auch davor gewarnt, dass wir den Abstimmungskampf nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Dass der Kanton Wallis diese Initiative verworfen hat, aber durch das Gesamtergebnis ‹überstimmt›wurde, macht die Situation noch schwieriger. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir auch eine solche grosse Herausforderung als Schweiz gemeinsam anpacken und die richtigen Antworten finden. Es hat viele leistungsstarke und anpackende Menschen in unserem Land – darum werden wir auch diese Situation meistern. Wichtig ist, dass die Schweiz gemeinsam die Balance zwischen ländlichen und städtischen Regionen ausgewogen gestaltet. Das ist je nach Standpunkt immer wieder im Zentrum.»

 

Der Wolf ist im Wallis immer wieder ein Thema. Wie beurteilt der Nationalratspräsident diese strittige Frage?

«Mit meiner Position vorne in der Mitte des Saales stelle ich eine enorme Emotionalität bei Diskussionen über den Wolf oder Bär – generell bei ‹tierischen› Themen – fest. Da bin ich stark gefordert, was die Ratsleitung betrifft; darum ist hier meine persönliche Meinung dazu sekundär!»

 

«Die SVP ist sicher bereit, Verantwortung zu übernehmen – auch im Wallis» Jürg Stahl

 

Ihr Parteikollege Oskar Freysinger war der erste SVP-Staatsrat des Wallis. Nach nur einer Legislatur ist er abgewählt worden. Ist die SVP noch nicht reif für eine staatstragende Rolle im CVP-geprägten Wallis oder lag Freysingers Abwahl aus Ihrer Sicht eher an den persönlichen Umständen des Kandidaten?

«Die SVP ist sicher bereit, Verantwortung zu übernehmen – auch im Wallis.»

 

Stahl – der Name ist Programm. Als Major der Fallschirmaufklärer sind Sie sicher auch ab und zu im Wallis aus einem Pilatus Porter gesprungen. Welches ist Ihre beste Erinnerung an unseren Kanton?

«Klar war ich in meinen fast tausend Diensttagen auch oft im Wallis – in der Luft und am Boden. Ich habe viele schöne Erinnerungen mit diesem Kanton. Seit 2004 bin ich als Direktionsmitglied der Groupe Mutuel Versicherungen berufsbedingt sehr eng mit dem Wallis verbunden, aber durch meinen ‹Göttibueb› aus Ried-Brig emotional auch sehr nahe. Prägend bleiben aber zwei Erlebnisse in ganz jungen Jahren; in der Oberstufe durften wir auf einer dreitägigen, abenteuerlichen Schulreise halt in Ausserberg machen – mit vielen schönen und unvergesslichen Momenten. Und – da muss ich etwas Luft holen – am 5. Dezember 1984 hatte ich ein spannendes Rendezvous mit einer guten und sehr sympathischen Sportlerin im Bahnhofbuffet von Martinach…»

 

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