Turnfest
Turnen schweisst zusammen.
In einem Bericht über das Turnfest ist etwas Pathos erlaubt. Denn es geht hier um die grossen Dinge des Lebens: Wettkampf, Teamgeist und Liebe. Eine Lobeshymne an die Turnerfamilie. Nationalratspräsident Jürg Stahl (SVP) das Turnfest eröffnet.
Eine junge Athletin tanzt zu Beginn ihrer Vorführung katzengleich und stellt sich elegant auf ihre Zehenspitzen. Im Publikum sind bereits Jubelschreie zu hören. Es sind ihre Teamkollegen, die sie bei jeder Bewegung lautstark unterstützen. Ähnliche Bilder sind am Wochenende am Kantonalturnfest im Tösstal überall zu sehen: Ein Turner gibt in seiner Disziplin sein bestes, die Kollegen feuern ihn am Seitenrand an. Das beflügelt so manch einen zu persönlichen Spitzenleistungen. Der Held an diesem Anlass, das wird rasch klar, ist das Team, nicht der einzelne Sportler.
Nähe ist Trumpf
Das war schon bei den Aufbauarbeiten zu beobachten. Hunderte haben freiwillig mitgeholfen, die weitläufigen Anlagen zu bauen. Mit viel Liebe zum Detail haben sie im Tösstal in wochenlanger ehrenamtlicher Arbeit ein Turnerparadies erschaffen. Vielerorts auf dem Gelände blühen Blumen. Mehrere Brunnen aus Holz laden zur Abkühlung und zum Trinken ein.
Die Vereine wissen es zu schätzen. Angesprochene Wettkämpfer finden fast nur lobende Worte, über die Organisation, das Wetter und den Turnsport im Allgemeinen. «Wer so etwas erlebt», sagt Yannik Modalek vom TV Wiesendangen, «der bleibt immer Turner.» Allen scheint klar, dass es bei einem solchen Grossanlass auch Pannen geben kann, kleinere und auch grössere. So hat es am Donnerstagabend beim Gewitter Gegenstände durch die Luft gewirbelt. Am Samstag verzögerte sich eine Rangverkündigung.
Das Gesamtbild lässt sich dadurch kein bisschen trüben. Es liegt in der Natur des Sports, dass auch mal etwas schief läuft. Beim Turnfest geht es sowieso nicht um Kleinlichkeiten. Das wurde an der Eröffnungsfeier sichtbar. Fahnen wehen im Wind, Glocken dröhnen, Politprominenz schreitet wichtig daher. Bei jeder Gelegenheit werden gemeinsame Werte herausgestrichen. Die Turner sehen sich als Familie, die zusammenhält. Nähe und Sicherheit sind ihr Trumpf, gerade in Zeiten, in denen auf der Welt so einiges aus dem Ruder läuft.
Am Abend gerät der Sport dann fast zur Nebensache und manche kommen sich im Festtaumel nochmals ein gutes Stückchen näher. Sie necken sich, sie lieben sich. Solch legendäre Sommernächte geben in den Vereinen noch jahrelang zu reden. Auch das schweisst zusammen.
Freude über die Goldmedaille
Auf dem Festgelände in Rikon sind bei weitem nicht nur muskelbepackte Turner anzutreffen. Man sieht Senioren, Eltern und Hunderte Kinder, die sich in allen möglichen Disziplinen messen. Vor dem Softice-Stand bilden sich lange Schlangen. Die Tibetergemeinschaft kocht Momos.
Im Schatten versammelt hat sich am Samstagmittag die Behindertensportgruppe Zürioberland. Sie waren kurz zuvor mit 18 Personen im Einsatz. Edna Galloro ist in ihrem Rollstuhl zu Gold gefahren und tanzt jetzt zur Musik, die aus einem Lautsprecher schallt. Auch Andreas Heeb zeigt der Fotografin stolz seine Silbermedaille. Leiterin Barbara Hug sagt, sie müsse für das Turnfest niemanden motivieren. «Der Teamspirit ist gross.» An den Rennen sei es am Seitenrand «sehr laut» geworden. Alle haben einander zugejubelt.
Nur Fliegen ist schöner
Der sportliche Wettkampf spornt sie an. Auch jene, die nicht auf die vordersten Ränge hoffen können. Man könnte noch über vieles berichten, das sich an diesem Wochenende im Tösstal ereignet hat. Man könnte über den Topsport-Abig «Töss-Tastisch» reden oder über die Veteranentagung am Sonntag. Der Geist des Turnfests zeigt sich aber am besten in jener Szene, die auf der Fotografie am Anfang dieses Artikels abgebildet ist: die Jugendabteilung des TV Trasadingen SH beim Weitsprung. Die Betreuerin steht mit ihren Schützlingen beim Absprung bereit und beklatscht jede Leistung frenetisch. «Hopphopphopp!», schallt es aus einem Dutzend Kehlen über die Wiesen. Das Mädchen hebt ab, mit einem breiten Lächeln im Gesicht und landet dann weich im Sand.