Olympisches Ziel

 

Jürg Stahl erreicht sein olympisches Ziel:

 

Bereits im ersten Wahlgang hat das Schweizer Sportparlament in Ittigen BE den 48-jährigen Brüttemer Jürg Stahl zum neuen Präsidenten von Swiss Olympic erkoren.

Jürg Stahls Freude, nachdem er die Wahl klar für sich entschieden hatte.  

Bild Keystone

Artikel Urs Stanger

 

«Jetzt war ich wirklich überdurchschnittlich nervös», sagte Jürg Stahl, als er aus dem Saal ging, in dem er kurz zuvor mit 240 von 444 gültigen Stimmen zum neuen Präsidenten von Swiss Olympic gewählt wurde.

 

Dass er angespannt wie selten zuvor war, hatte einen Grund: «Das war», gab er zu, «meine wichtigste Wahl.» Jene am kommenden Montag, in welcher er aller Voraussicht nach zum Nationalratspräsidenten erkoren wird, sollte im Normalfall eine Formsache sein. Die Ausmarchung gestern vor dem Sportparlament aber war offen. «Ich hatte Respekt davor, dass es doch nicht klappen könnte.» Sagte es und umfasste die kleine Bade-Ente, die ihm seine Tochter als Glücksbringer mitgegeben hatte.

 

Eine Herzenssache

 

Der ungewisse Ausgang erhöhte die Nervosität. Und vor allem auch: Es ging um eine Herzensangelegenheit, die der Sport für den Tössemer, der inzwischen mit seiner Familie in Brütten wohnt, seit seiner Kindheit darstellt. Er sei vom olympischen Virus infiziert, betonte er auch gestern vor den 75 anwesenden Schweizer Sportverbänden, zwei IOC-Mitgliedern und drei Athletikvertretern, welche die Wahl fällten. Er sei dies, seit seine Eltern, die in Töss eine Drogerie führten, 1972 vor den Winterspielen in Sapporo ihren ersten Farbfernseher gekauft hätten, erinnerte er sich lächelnd.

 

Gestern Abend im Haus des Sports in Ittigen nun lief der frühere Leichtathlet und Kunstturner — souverän – durch sein ganz persönliches olympisches Ziel. «Dass ich jetzt den Takt vorgeben und mit den Sportverbänden weitere olympische Erfolge anstreben darf, ehrt mich unheimlich», erklärte er vor dem Sportparlament. Die Ernennung zum Swiss-Olympic-Präsidenten ist die Krönung eines langen Engagements für den Sport, das damit begonnen hatte, als er an einem Jugitag in Grafstal leere Vivi-Kola-Flaschen einsammelte.

 

«Ein Teamplayer»

 

Stahl war als Favorit angetreten. Letztlich setzte er sich nach einem, wie er sagte, «fairen Wahlkampf», vielleicht auch dank den Stimmen grosser Verbände, unverhofft klar gegenüber Werner Augsburger (149 Stimmen) und Nationalrat Martin Landolt (55) durch. Seine tiefe Vernetztheit in Politik, Sport und Wirtschaft hatten offenbar überzeugt, der richtige Mann für die Nachfolge von Jörg Schild zu sein.

 

Vom 1. Januar an kann er acht Jahre lang als höchster Schweizer Sportfunktionär amten. Erwin Grossenbacher, der Präsidentdes Schweizerischen Turnverbandes, der Stahl zur Wahl portiert hatte, nannte ihn einen «Teamplayer. Einer, der Verantwortung übernehmen, motivieren und delegieren kann.»

 

Er werde «die Sportschweiz nicht enttäuschen», versprach Stahl. «Ich bin es gewohnt zu arbeiten und habe eine gesunde Mischung zwischen Organisationstalent und Leistungsbereitschaft.» Sein berufliches Engagement bei einer Krankenversicherung dürfte er wegen der zeitlich aufwendigen Mandate im Sport und im Nationalrat von 60 auf «unter 30 Prozent» reduzieren. Schild, der abtretende Präsident, meinte, dass «der Schweizer Sport in den nächsten Jahren von Jürg Stahls Einsatz und Wissen profitieren wird».

 

Der Weg zum Podest

 

Der neue Präsident des Schweizer Sportdachverbandes erwähnte nochmals seine Pläne und Ziele, die es aus seiner Sicht gebe. Er nannte die «hundert kleinen Giulias», die nach den Olympischen Spielen in Rio am Flughafen in Kloten auf die Ankunft von Giulia Steingruber gewartet hatten, als sein Antrieb und Motivation. Er sprach davon, dass man «den Weg zum Podest unterstützen» müsse, von einer «strukturierten und beherzten Jugendsportförderung», vom Zusammenspiel zwischen Schule und Sport sowie Armee und Sport, von der Notwendigkeit zusätzlicher finanzieller Unterstützung für den Sport und von der Wertschätzung gegenüber der ehrenamtlichen Tätigkeit.

 

Und er sagte vor den Sportverbänden das, was schon der offizielle Slogan des Zürcher Kantonalturnfestes 2005 in Wiesendangen, dessen OK-Chef er war, beinhaltet hatte: «Wir werden gemeinsam viel bewegen und erleben.»

 

Die spannendsten Tage im Leben des Jürg Stahl haben gestern so begonnen, wie er es sich gewünscht hatte. Am Montag folgt die Fortsetzung im Parlament mit der mutmasslichen Wahl zum Nationalratspräsidenten und am Mittwoch der grosse Empfang in Winterthur und Brütten.

 

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